Was macht eine gute Comicverfilmung aus? Regisseur Joss Whedon hat es in einem Interview passend getroffen: Eine Comicverfilmung ist dann gelungen, wenn man mit Hilfe der Essenz der Vorlage versucht, etwas Neues zu kreieren.
Oft wird der Fehler gemacht die Vorlage entweder komplett zu ignorieren, oder sie 1:1 zu kopieren. In beiden Fällen ist das Ergebnis meistens katastrophal. Was aber wirklich aus so einem Projekt herausgeholt werden kann sieht man, wenn der richtige Mann im Regiestuhl sitzt. Jemand der verstanden hat was diese phantastischen Helden ausmacht, wie man diese übermächtigen Gestalten auch ganz klein erscheinen lassen kann und vor allem, wie man so viele Charaktere in einem Film versammeln kann, ohne dabei einen von ihnen zu bevorzugen oder zu vernachlässigen. Joss Whedon hat das fast Unmögliche möglich gemacht und wird dank 'Marvel's The Avengers' (Filmstart 26.4.2012) vermutlich bald zu den Top-Regisseuren Hollywoods zählen.
Im Zentrum von 'Marvel's The Avengers' steht der Tesserakt, ein kosmischer Würfel mit unlimitierter Energie, der seinem Besitzer unendlich viel Macht verleiht. Allerdings lässt sich dieser Würfel nicht so einfach bedienen. Die Regierungsbehörde S.H.I.E.L.D. hält den Tesserakt seit dem Ende des zweiten Weltkriegs, als dieser zusammen mit Captain America (Chris Evans) abgestürzt ist, unter Verschluss und ist aber bis dato nicht hinter seine Geheimnisse gekommen. Es existieren aber noch andere Wesen im Universum, die ebenfalls die Macht des Würfels für sich in Anspruch nehmen möchten. Und genau auf diese ist Thors (Chris Hemsworth) Halbbruder Loki (Tom Hiddleston) nach seiner Verbannung aus Asgard gestoßen und plant nun mit einer riesigen Armee eine Invasion der Erde.
Genau für solche Fälle hat Nick Fury (Samuel L. Jackson) die Avengers-Initiative ins Leben gerufen. Diese sieht vor, mit der Hilfe von Menschen mit außergewöhnlichen Fähigkeiten übermächtige Bedrohungen abzuwehren. Doch so ein Team mit starken Persönlichkeiten und Einzelgängern lässt sich nicht so einfach zusammenstellen und es kommt zu verbalen und physischen Auseinandersetzungen. Und genau hier setzt Loki an und versucht die einzelnen Mitglieder gegeneinander auszuspielen, damit diese, wenn die Invasion beginnt, keine Möglichkeit mehr haben ein Team zu formen.
Seinen Ursprung hatte das Mammut-Projekt im Jahr 2008, als Marvel Studios den nicht unbedingt beliebtesten Superhelden 'Iron Man' verfilmten. Im Vergleich zu Kalibern wie Spider-Man, Batman und Superman war Iron Man auf der Beliebtheitsskala doch eher weit abgeschlagen und vor allem nicht so bekannt wie diese Ikonen der Pop-Kultur. Dank der wirklich gelungenen Verfilmung und der hervorragenden Leistung von Robert Downey Jr., der dem Charakter seinen speziellen Stempel aufgedrückt hatte, wurde 'Iron Man' zum Hit. Wäre der Film gefloppt, hätte es das Projekt Avengers vermutlich niemals gegeben. Vor allem die kurze Szene nach dem Abspann mit Samuel L. Jackson ließ die Fans aufhorchen. Würde Marvel Studios wirklich einen 'Avengers' Film auf die Beine stellen können?
Eigentlich ein unmögliches und bislang noch nie dagewesenes Unterfangen. Zwar hatte man mit Ang Lees 'Hulk' schon ein weiteres Mitglied der Avengers eingeführt, aber die restlichen Charaktere in einem gemeinsamen Film das erste Mal auftreten zu lassen, wäre dann doch eine Nummer zu groß gewesen. Schon alleine deshalb, weil jede dieser Figuren eine so umfangreiche Entstehungs- und Hintergrundgeschichte hat, die man in einem Team-Film nicht einbauen könnte. Aber damit diese Charaktere auch auf der Leinwand funktionieren würden, müssten die Kinobesucher wissen, was sie ticken lässt. Und so wurden auch noch Thor und Captain America, sowie auch erneut der Hulk mit ihren eigenen Solo-Filmen vorgestellt und immer weiter miteinander verknüpft.
Der richtige Mann für den Job: Joss Whedon
Mit 'Marvel's The Avengers' haben nun vier Jahre Vorbereitungszeit ihren Höhepunkt erreicht. Niemals zuvor wurden Charaktere aus so vielen diversen Filmen in einem gemeinsamen Film vereint. Mit Joss Whedon hat man einen Regisseur und Drehbuchautor verpflichtet der praktisch wie geschaffen für die Verfilmung des Stoffes ist. Mit seinen TV-Schöpfungen 'Buffy the vampire slayer', 'Angel' und 'Firefly' hat er bereits oft unter Beweis gestellt, dass er der richtige Mann für den Job ist wenn es darum geht, verschiedene Charaktere miteinander agieren zu lassen. Und genau dieses Talent war auch für 'The Avengers' notwendig, denn wenn man Charaktere wie Iron Man, Hulk, Thor, Captain America, Black Widow und Hawkeye an einen Tisch setzt, muss man schon wissen wie diese anzupacken sind. Ein weiterer Pluspunkt ist die Tatsache, dass Whedon seit seiner Teenagerzeit selbst ein Fan der Comicvorlage ist und zudem schon selbst Comicserien wie 'Buffy' oder 'Astonishing X-Men' geschrieben hat. Wenn jemand weiß wie diese Figuren gemeinsam funktionieren, dann nur jemand wie Joss Whedon.
Loki - ein kultverdächtiger Bösewicht
Vor allem für Böswichte hatte Joss Whedon immer schon ein besonders gutes Gespür. Er weiß wie man diese Charaktere schreiben muss damit sie bedrohlich wirken, der Zuschauer aber zugleich auch eine gewisse Sympathie für die Figur entwickeln kann. Whedons Stärke liegt vor allem in den Dialogen und dies wird in 'Marvel's The Avengers' besonders in den Szenen mit Loki deutlich. Die Art und Weise, wie Loki seine Feinde nur mit Worten manipuliert, ist wirklich schön anzusehen und erinnert auch ein wenig an die Performance von Heath Ledger als Joker, der ebenfalls ein Meister der Manipulation ist. Loki ist ein sehr komplexer und vielschichtiger Charakter der von Tom Hiddleston hervorragend verkörpert wird. Mit seiner Darstellung hat er definitiv einen kultverdächtigen Bösewicht geschaffen über den man noch lange reden wird.
Aber auch die Superhelden-Darsteller überzeugen und dürfen alle gleichermaßen glänzen, ohne dass jemand dabei zu kurz kommt. Natürlich sticht vor allem Robert Downey Jr. mit seinen witzigen Sprüchen etwas stärker hervor, stiehlt aber trotzdem den anderen nicht die Show. Im Prinzip gibt es keinen Bruch in der Darstellung der Charaktere in ihren Solo-Filmen und in Avengers, Joss Whedon hat in seinem Drehbuch darauf sichtlich viel Wert gelegt, damit man sich als Zuschauer auch wieder wie zu Hause fühlt. Die Dramaturgie ist ebenfalls gelungen und bis sich die Avengers endlich so richtig zusammen finden, müssen sie einige herbe Rückschläge einstecken. Und wer Joss Whedon kennt der weiß, dass er nicht davor zurückschreckt Charaktere zu töten. Er tut dies aber immer nur dann, wenn dadurch eine nachhaltige Schockwirkung erzielt werden kann und die Geschichte davon profitiert. Es wird in 'Marvel's The Avengers' also auch Verluste geben.
Die perfekte Balance
Natürlich kommt die Action nicht zu kurz und wer vielleicht in dem einen oder anderen Marvel Studios Film zu wenig Action Szenen bemängelt hat, wird diesmal seine Freude haben. Trotz vieler Action-Szenen wirkt der Film aber keineswegs überladen oder gehetzt, die Balance zwischen Dialog- und Action-Szenen ist gut getroffen und lässt somit keine Langeweile aufkommen. Vor allem Comicfans werden sehr viel zu entdecken haben und sich den Film vermutlich sogar ein weiteres Mal ansehen müssen, um alle kleinen Details zu entdecken, die Joss Whedon in den Film gepackt hat. Obwohl der Film 142 Minuten läuft hätte er vielleicht sogar noch ruhig ein wenig länger ausfallen können. Es gibt mit diesen Charakteren so viel zu entdecken, dass man noch gerne etwas länger mit ihnen verweilen möchte.
Fazit: Mit 'Marvel's The Avengers' ist es Joss Whedon gelungen, ein fast unrealisierbares Projekt absolut überzeugend zu verwirklichen. Hier passt so ziemlich alles, angefangen von den Darstellern, über die flüssige und kurzweilige Story ohne Längen bis hin zu tollen Action-Szenen und hervorragenden und teils sehr witzigen Dialogen hat der Film alles, was ein perfektes Popcorn-Kino haben muss. Und mit Loki liefert Tom Hiddleston einen Bösewicht ab, der einem noch lange im Gedächtnis bleiben wird. Bleibt nur noch eines zu sagen: Avengers Assemble!