Leidenschaftlicher Filmemacher, peinlicher Querulant, überforderteter Familienvater oder doch 'nur' eine Filmfigur? Alfi Seliger, Protagonist des neuen Dani Levy Films, hat's jedenfalls nicht leicht.
Alfi Seliger (Markus Hering) ist ein 'Nebbich', ein liebenswerter Versager. Als Regisseur liegt sein letzter großer Erfolg 15 Jahre zurück. Im Moment hat er Glück, wenn sich in der Branche überhaupt noch jemand an seinen Namen erinnert. Nicht die günstigste Ausgangssituation, um Produzenten und Schauspieler für sein neuestes Projekt zu gewinnen: Eine Komödie über den Mohammed-Karikaturen-Streit. Auch zu Hause läuft es für Alfi nicht besser. Seine Frau Helena (Meret Becker) langweilt sich in der Ehe und seine Kinder finden ihn peinlich.
Auch, wenn sich für kurze Zeit alles zum Besseren zu wenden scheint – die Produzentenlegende Boronowski (Hans Hollmann) zeigt Interesse für sein Drehuch und Alfie kann seine schwierige finanzielle Lage durch einen Regiejob bei einer Daily Soap aufbessern – wird doch alles nur noch schlimmer: Alfie verliert seinen Posten bei der Seifenoper, aus seinem Karikaturenfilm soll eine harmlose Serie werden, er erfährt von der Affäre seiner Frau mit ihrem Kollegen Johannes (Justus von Dohnányi) und erhält die Diagnose Darmkrebs.
Als ihm selbst sein Psychiater (Udo Kier) dazu rät, sich das Leben zu nehmen, hat Alfi genug. Er versucht sich mit einer Unmenge an Medikamenten umzubringen, aber selbst das gelingt ihm nicht. Als er erwacht, wird er das Gefühl nicht mehr los, buchstäblich im falschen Film zu sein. Alfi fordert sein Schicksal heraus, aber hat er gegen den Regisseur seines Lebens eine Chance?
Eine Welt aus den Fugen
Wem könnte man genüsslicher zusehen, als jemandem, der sich verzweifelt gegen sein komisch-tragisches Schicksal stemmt - und doch nicht gewinnen kann. Wie sich Alfi mit aller Macht und trotz aller Lächerlichkeit gegen die nicht enden wollende Reihe von Lebensgemeinheiten kämpft, ist tatsächlich ungeheuer komisch. Alfi ist die Personifikation der 'Ich will, dass das jetzt geht!'-Mentalität, die jeden gelegentlich überfällt und die natürlich - auch wegen ihrer verzweifelten Unnachgibigkeit - immer größere Katastrophen heraufbeschwört. Das geht so lange (und länger), bis sogar Alfis Psychiater keinen Bock mehr auf seine Probleme hat, ihn nur noch während dem Essen empfängt und dabei buchstäblich abfertigt.
Wenn er dann noch als sensibler Mensch mit Idealen und Leidenschaft für seine Arbeit, die er schon länger nicht mehr bzw. nicht erfolgreich ausüben kann, auf die Tücken und Absurditäten des Filmgeschäfts trifft, ist für Chaos und Wahnwitz ein reicher Boden bereitet. Auch wenn die karikierte Szene-Darstellung manchmal etwas bemüht wirkt, für Tempo, geniale Pointen und aberwitzige Situationen ist dabei immer noch Platz genug.
Spiel im Spiel
Wenn schon ein Film über die Filmwelt, dann dürfen auch bekannte Schauspieler nicht fehlen und der Film wartet mit einer Vielzahl davon auf. Einige in bedeutenden Nebenrollen (zum Beispiel Meret Becker, Heino Ferch, Gottfried John, Yvonne Catterfeld), andere in kurzen Gastauftritten (unter anderem Michael Herbig und Katja Riemann). Die Qualität ihrer Darstellungen ist erstaunlich gemischt. Manche treffen den Nagel auf den Kopf, andere erscheinen im krassen Gegensatz dazu hölzern oder schlicht unkomisch. Das mag daran liegen, dass Levy zu liebevoll auf jede seiner Figuren blickt, ohne sich und ihnen den letzten Rest Bissigkeit zu gönnen, die so manche Gestalt durchaus angeboten hätte.
Nur einer sticht deutlich aus der Darstellerriege hervor: Markus Hering ist als Alfi Seliger die Hauptsensation des Films. Wie er mit scheinbarer Leichtigkeit, aber perfekter Präzision diese Figur und den ganzen Film stemmt, hätte man sich von keinem anderen Schauspieler erwarten können. Hering, der bisher vor allem am Theater arbeitete und erst letztes Jahr in 'Whisky mit Wodka' einem breiteren Publikum bekannt wurde, will sich jetzt, nach 17 Jahren am Wiener Burgtheater, ganz auf's Filmemachen konzentrieren. Wenn das mal keine gute Neuigkeit ist - zumindest für die Filmwelt.
Film und Leben
Dani Levy macht keinen Hehl daraus, dass 'Das Leben ist zu lang' persönlicher für ihn kaum sein könnte. Er kommt im Film selbst vor und Alfi Seliger hat mehr als nur zufällige Ähnlichkeiten mit seinem Erfinder: Er ist im gleichen Alter, hat wie er zwei Kinder, ist Jude und Filmemacher und sieht ihm noch dazu verblüffend ähnlich. Levy hat - ähnlich wie Alfi - eine sehr erfolgreiche Komödie ('Alles auf Zucker!', 2004) und dann, mit 'Mein Führer' (2007), einen stark umstrittenen Film gedreht. So viel persönlicher Input hat eine gewisse Distanzlosigkeit zur Folge, die - wie man in so mancher aktuellen Kritik nachlesen kann - nicht immer auf Gegenliebe stößt, auf die man sich aber durchaus einlassen kann. Der Mut und die Selbsironie, die hier zu Tage treten, würden so manchem Filmemacher nicht schaden.
Eines jedenfalls hat definitiv nicht wie geplant funktioniert. Eine philosophisch aussagekräftige Stellungnahme zum Verhältnis Film und wirkliches Leben kann der Film nicht geben, auch wenn sich die Story noch so sehr, gerade am zerfasernden Ende, darum bemüht. Als Komödie über den Wahnsinn und die Ungerechtigkeiten des Lebens hat sie dennoch einiges zu bieten.