Gebettet in eine Legende und dem Vorhaben zweier Mädchen, ihr Liebesglück an einem idyllischen Ort zu verbringen, konfroniert dieser Film mit einer grausamen Realität.
Über einen langen Zeitraum nur angedeutet und fast schon mit Gleichgültigkeit erzählt, hinterlassen die gezeigten Ereignisse vorerst nur Spuren, im Nachinein jedoch tiefe Betroffenheit.
Lala (Inés Efron), Tochter einer wohlhabenden Familie aus Buenos Aires, ist auf dem Weg nach Paraguay, um dort auf das Hausmädchen Guayi (Mariela Vitale) zu warten. Seit einiger Zeit in einer Liebesbeziehung, träumten die beiden davon, aus Buenos Aires zu verschwinden und gemeinsam in Guayis Heimatdorf zurückzukehren. Doch am Tag von Lalas Abreise, findet Guayi deren Vater (Pep Munné) tot auf und wird des Mordes an ihm beschuldigt. Währenddessen trifft Lala in Paraguay auf Guayis Vater (Arnaldo André) und erfährt schreckliche Dinge aus deren Vergangenheit. Als sie Kenntnis von Guayis Verhaftung erlangt, fährt sie sofort nach Buenos Aires zurück, um ihrer Geliebten zu helfen.
Mittlerweile in einer Jugendstrafanstalt, ist es nicht gut um Guayi bestellt. Lala möchte zur Polizei gehen und die Wahrheit über den Tod ihres Vaters ans Licht bringen, doch Guayi hält sie davon ab. Indessen erkennt Lala, dass die Mädchen der Jugendstrafanstalt über Nacht an einen anderen Ort gebracht werden und sieht darin die Chance, Guayi zu befreien.
Töchter und Väter
Es ist erschreckend und furchtbar, welche Art von Vater-Tochter- bzw. Mann-Frau-Beziehungen einem hier vor Auge geführt wird. Eine Welt, in der sich Männer das nehmen, was sie wollen, und Frauen zu Gebrauchsgegenständen verkümmern, ohne dass sich jemand daran stört. Vor allem Guayis Lebenswandel ist kaum auszuhalten. Nicht genug, dass sie von ihrem Vater als Kind missbraucht wird, entsteht daraus auch noch eine Schwangerschaft. 13 Jahre ist sie erst, als ihr Sohn zur Welt kommt, der kaum Überlebenschancen hat. Woraufhin sich das Mädchen – alleingelassen von ihrem Vater – nicht anders zu helfen weiß, als ihn im See ertrinken zu lassen.
Gezeichnet und traumatisiert endet auch der Neufang in Buenos Aires für Guayi darin, dass sie weiterhin von Männern zu demselben Zweck benutzt wird, wie es auch schon ihr Vater getan hat. Dabei scheint sie sich mittlerweile daran gewöhnt zu haben, lässt sie es doch einfach über sich ergehen, anstatt dagegen aufzubegehren. Auch Lalas Vater kann Guayi, trotz Ehefrau, offensichtlich nicht widerstehen, was fatale Auswirkungen auf die Beziehung zu seiner Tochter hat. Frustiert und wütend mischt sie eine Überdosis Medikamente in ihr Milchglas, als plötzlich ihr Vater dazu kommt und auch ein Glas Milch verlangt. Am nächsten Morgen ist er tot und Lala auf dem Weg nach Paraguay. Ob es Zufall oder Absicht war, bleibt bis zum Schluss unklar.
Filmbilder 'Das Fischkind'
1/7
Der Missbrauch an Guayi durchzieht den ganzen Film. Abgesehen von ihrem eigenen und Lalas Vater, wird sie von der Jugendstrafanstalt über Nacht in ein recht zwielichtiges Haus verfrachtet, in dem junge Mädchen älteren Männern zur freien Verfügung stehen. Da sie schon einmal 'Rache genommen' hat, schreckt Lala nicht davor zurück, zu einer Waffe zu greifen und den Besitzer des Hauses zu erschießen, um Guayi zu befreien.
Magische Welt und grausame Realität
Es ist erstaunlich, wie all diese tragischen Ereignisse und traumatischen Erfahrungen nebenbei, mit fast schon erschreckender Belanglosigkeit, den eigentlichen Kern der Handlung, nämlich die Liebesbeziehung zwischen Lala und Guayi, begleiten. Das mag daran liegen, dass der Film ständig seine Zeitebenen wechselt. Manchmal sprunghafte, zeitweise fließende Übergänge zwischen Vergangenheit und Gegenwart fordern den Zuschauer heraus, sich ständig neu zu orientieren. Stringente Abläufe sind kaum vorhanden, begeben wir uns doch zu Beginn mit Lala auf ihre Reise nach Buenos Aires, erfahren dann erst von ihrer Liebesbeziehung zu ihrem Hausmädchen, dem Tod ihres Vaters und während des ganzen Films immer wieder neue Bruchstücke aus Guayis Vergangenheit.
Oft hatte Guayi Lala schon die Legende von einem Fischkind erzählt, dass in ihrer Heimat am Ufer des Ypoá-Sees lebt und die Ertrunkenen mit sich zum Grunde des Sees nimmt. Gerüchte um eine geheimnisvolle Schwangerschaft gehen seither in diesem Dorf um und dessen Bewohner kommen seit Jahren zu Guayis Haus, um dort und auch auf einen Baum im naheliegenden See Püppchen und Briefe, in denen ihre Gebete und Bitten aufgeschrieben sind, aufzuhängen. Diese magisch sagenhafte Welt wird radikal durchbrochen, als im Verlauf des Films ständig neue Hinweise auf die wahren Ereignisse auftauchen. Und während man den ganzen Film hindurch den Geschehnissen folgt, entfalten sie erst am Schluss ihr wahrhaft schauderhaftes Potenzial, sobald das letzte Puzzleteil hinzugefügt worden ist.